Dritter Advent: Ein unvergesslicher Gast in der Notunterkunft

3. Advent: Ein unvergesslicher Gast in der Notunterkunft

Die Notübernachtung in der Lehrter Straße ist ein Ort, an dem Menschen aus ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten zusammenkommen. Manche von ihnen hinterlassen bleibende Eindrücke – wie Bogdan*, an den sich die langjährige Leiterin Anna Behnke besonders gut erinnert.
„Bogdan war eine einzigartige Erscheinung“, erzählt Anna. „Ein kleiner Rumäne mit schwarzem Haar, das ihm ständig ins Gesicht fiel, und einem trockenen Humor, der uns alle zum Lachen brachte.“ Trotz seiner schweren Hörbehinderung, seiner Trinkgewohnheiten und einer offensichtlichen Einsamkeit trug er stets eine besondere Mischung aus Würde und Eigenwilligkeit mit sich.

Jeden Winter war Bogdan Stammgast in der Notunterkunft. Immer gut gepflegt und mit einer Mütze auf dem Kopf, war sein ständiger Begleiter ein Krückstock, den er weniger zum Gehen als vielmehr als eine Art Zepter nutzte. „Damit verschaffte er sich Respekt“, erinnert sich Anna. „Manchmal schob er Leute damit zur Seite, wenn ihm jemand zu nahekam.“
Die Gespräche mit ihm waren ein besonderes Erlebnis. Da er schwerhörig war, führte Bogdan oft seinen eigenen Dialog. „Er dachte sich aus, was ich gefragt haben könnte, und antwortete entsprechend“, erzählt Anna schmunzelnd. „Ich musste ihm meine Fragen ins Ohr schreien – von außen sah das wie ein normales Gespräch aus, aber in Wirklichkeit war es oft völlig absurd.“

*Name geändert

Besonders in Erinnerung bleibt ein Moment, als Bogdan einen neuen Kollegen hereingelegt hatte. Während der Taschenkontrolle tat er plötzlich so, als hätte er Schmerzen, zuckte dramatisch und schrie laut auf – nur um dann Anna mit einem schelmischen Zwinkern zu zeigen, dass alles gespielt war. Sein verschmitztes Lächeln und seine Freude über den gelungenen Scherz waren ansteckend.
Auch in schwierigen Situationen verlor Bogdan nicht seinen Humor. Als er eines Abends positiv auf Corona getestet wurde und die Unterkunft nicht betreten durfte, fragte er mehrfach nach, ob es wirklich so sei. Erst als Anna ihm die Nachricht laut ins Ohr rief, antwortete er mit einem augenzwinkernden: „Oh Shit, kann ich trotzdem reingehen und mir eine Suppe holen?“

Trotz seines oft herausfordernden Lebens war Bogdan immer dankbar. „Er verabschiedete sich jedes Mal mit einem charmanten ‚Küss die Hand schöne Frau, vielen Dank, vielen Dank‘“, erinnert sich Anna. „Seine Dankbarkeit und sein Humor machten ihn zu einem unverwechselbaren Charakter, der uns allen fehlt.“
Seit einiger Zeit ist Bogdan nicht mehr in der Notunterkunft aufgetaucht. Doch seine Geschichten und sein Lachen bleiben ein besonderer Teil der Erinnerungen an die Lehrter Straße – ein Ort, an dem die Menschlichkeit auch in den herausforderndsten Momenten lebendig bleibt.

Wärme und Hoffnung schenken

In unseren Notübernachtungen finden obdachlose Menschen wie Bogdan Schutz vor der Kälte, eine warme Mahlzeit und die Erfahrung von Gemeinschaft. Unterstütze unsere Arbeit, damit wir auch weiterhin für Menschen in Not da sein können – gerade in der kalten Jahreszeit. Jeder Beitrag hilft, Leben zu retten und Hoffnung zu schenken.