Obdachlosigkeit in der Schule
Begegnest du auf dem Weg zur Schule obdachlosen Menschen?“, fragt Susann Apelt in die Runde. Die meisten Kinder aus der altersgemischten Delfin-Klasse flitzen in die rechte Hälfte des Zimmers. Die steht für „Ja“. Die Bildungsreferentin hakt nach: „Woran erkennt ihr denn diese Menschen?“ Ein Mädchen antwortet spontan: „Ein obdachloser Mann liegt morgens immer draußen auf der Straße auf einer Matratze.“ Eine Mitschülerin sagt, dass sie Angst vor obdachlosen Menschen hat, wenn sie Alkohol getrunken haben. Dann erzählen die Kinder, was sie und ihre Eltern schon mal gespendet haben: Franzbrötchen, Äpfel, Kaffee, Kleidung oder auch Wasser. „Wasser ist für Menschen, die auf der Straße leben, sehr wichtig, vor allem im Sommer“, erklärt Susann Apelt.
Sie bringt mit der interaktiven „Lernwelt on Tour“ der Berliner Stadtmission das Thema Obdachlosigkeit in Grundschulen. 90 Minuten lang sensibilisiert sie Kinder bis zur sechsten Klasse dann für Armut und Obdachlosigkeit. Zuerst gibt es ein paar allgemeine Fragen zum Aufwärmen. So kann sich die Bildungsreferentin ein Bild davon machen, was die Schüler:innen bereits über das Leben auf der Straße wissen. „Dann können wir in Absprache mit den Lehrkräften den Workshop individuell an den Lehrplan und den Lernstand anpassen“, sagt Susann Apelt.
Ein Junge hat schon häufiger Menschen gesehen, die betteln: „Meine Mama und ich geben Obdachlosen fast immer Geld, wenn sie einen Becher haben und damit herumgehen“. An der schmutzigen und zerrissenen Kleidung seien die armen Menschen gut zu erkennen, wissen die Mädchen und Jungen. Dann bilden sie einen Stuhlkreis. Susann Apelt steht in der Mitte und liest aus dem Buch „Kein Bett in der Nacht“ von Obdachlosigkeit in der Schule. Die „Lernwelt on Tour“ bringt das Thema Armut in die Klassenzimmer Susann Apelt (Mitte) spricht mit Schulkindern über das Thema Obdachlosigkeit. „Dann können wir in Absprache mit den Lehrkräften den Workshop individuell anpassen.“ Maria Ines de Almeida. Die Kinder hören konzentriert zu. Anschließend besprechen sie das Gelesene mit Susann Apelt. Mit einem Beamer projiziert sie dabei für alle sichtbar einzelne Illustrationen aus dem Buch an das Whiteboard und spricht mit den Kindern dann darüber, wie wertvoll ein eigenes Bett ist. Auch Lehrerin Catharina Rothe hört zu: „Ich bin total begeistert, dass jemand, der Ahnung hat, das Thema Obdachlosigkeit mit den Kindern bespricht.“ Es sei eine Urangst in jedem, dass man selbst mal auf der Straße landen könnte.
„Auch viele Eltern fanden es sehr gut, dass es diesen Workshop bei uns gibt“, sagt die Lehrerin. Bezahlen müssen die Eltern dafür nichts, denn die Werner-Coenen-Stiftung hat die Kosten für die „Lernwelt on Tour“ übernommen.
Catharina Rothe benutzt den Workshop als Auftakt, um Armut später mit den sechs- bis neunjährigen Jungen und Mädchen zu vertiefen. Von der Stadtmission erhält sie dazu weiterführende Materialien und Projektideen für den Unterricht. Catharina Rothe ergänzt: „Die Kinder hören so toll zu und sind richtig fasziniert, weil es sie wirklich interessiert.“ Um das Gelernte zu reflektieren, verteilt Susann Apelt handgroße gelbe Papier-Sterne. Die Kinder schneiden sie aus
„Bitte schreibt auf den Stern, wie ihr einem obdachlosen Menschen helfen könnt und welche Dinge armen Menschen nützen, damit sie besser leben können.“ Der sechsjährige Justus und sein Mitschüler, der achtjährige Willem, sind schnell fertig und kleben den Stern auf einen ausgerollten, blauen Papierstreifen auf dem Boden. Das ist der Sternenhimmel. Die Jungs waren sich sofort einig, was obdachlose Menschen für ein besseres Leben brauchen: „Schokolade, Limo, Essen und Unterwäsche.“