Perspektivwechsel am Bahnhof Zoo
„Ich möchte, dass man mir auf Augenhöhe begegnet“

Ein grauer, leicht verregneter Tag am Bahnhof Zoo. Mit ein paar Geschäftsleuten laufe ich am Bahnhofsgebäude vorbei und sehe bald darauf Menschen mit strahlend dunkelblauen Westen, die mich herzlich in Empfang nehmen. Das ist also die Bahnhofsmission am Zoo der Berliner Stadtmission, ein Strahl der Hoffnung für obdach- und wohnungslose Menschen in Berlin.
Anlässlich des Tags der wohnungslosen Menschen darf ich mich hier ein paar Stunden umschauen. Von außen scheint es so, als läuft heute alles so ab wie an einem normalen Tag bei der Bahnhofmission Zoo, aber der Perspektivwechsel findet sich im Detail.
Eine FSJlerin vor Ort erklärt mir, dass in den Räumen der Bahnhofsmission eigentlich immer die Essensausgabe für obdachlose Menschen stattfindet. Heute ist das ein wenig anders. Dort, wo normalerweise an fünf- bis siebenhundert Menschen Essen ausgegeben wird, finden heute Workshops statt. Auf der anderen Seite des Bahnhofs, beim Zentrum am Zoo, ein Beratungs-, Begegnungs- und Bildungszentrum der Berliner Stadtmission, gibt es dagegen heute Mahlzeiten für die Besucher:innen.

Als ich dort ankomme, sehe ich schon einige Menschen, die dort vor der Tür warten, bis im Zentrum am Zoo genug Platz ist und sie etwas zum Essen bekommen können. In den seit 2020 ausgebauten Räumlichkeiten herrscht eine fröhliche, gelassene Stimmung. Normalerweise sitzen hier Psychologinnen und Sozialarbeiter, die obdach- und wohnungslose Menschen beraten. Aber zum heutigen Anlass wurden die Räum zu einer Essenausgabe umfunktioniert. Ein Perspektivwechsel eben. Es duftet lecker nach Hotdogs und überall sitzen an Tischen Menschen, die sich austauschen und die Gemeinschaft beim Essen genießen.
Zwischendrin sind freiwillige Helfer:innen, die schauen, dass alles reibungslos funktioniert und die sich um Gemeinschaft suchenden Menschen kümmern. Während ich mich weiter umschaue, entdecke ich verschiedene Bilder an den Wänden. Die Wände des Zentrum am Zoo sind geschmückt von einer Fotoausstellung, die künstlerisch sehr eindrücklich die Situation von obdach- und wohnungslosen Menschen beschreibt.
Zurück auf der anderen Seite bei der Bahnhofsmission am Zoo darf ich eine Zeit lang mit an der Tür stehen und bedürftige Menschen empfangen. Ständig kommen Menschen zur Bahnhofsmission, weil Sie etwas zum Essen, zu Trinken, Kleidung und/oder einen Schlafsack haben wollen oder anderweitig Hilfe brauchen.
Es ist beeindruckend, mit was für einer Geduld und mit wie viel Respekt den Menschen hier begegnet wird. Auch wenn viele Menschen an andere Stellen der Stadtmission weitergeleitet werden müssen und hier nicht das bekommen, was sie brauchen, sind sie dankbar für jede Hilfe und jedes Gespräch auf Augenhöhe.

Nach diesen ganzen Eindrücken nehme ich noch an einem Workshop teil. Mit einer Berufsschulklasse, Mitarbeiter:innen der Deutschen Bahn, anderen Angestellten der Berliner Stadtmission sowie obdach- bzw. wohnungslosen Menschen höre ich gespannt zu. Durch den Austausch mit selbst betroffenen Menschen bekomme ich ein sehr detailliertes Bild davon, wie die Situation für obdachlose Menschen in Berlin ist. Dabei wird deutlich, dass es für die betroffenen Menschen unglaublich wichtig ist, dass man nicht wegguckt, sondern ihnen hilft, sie beachtet und ihnen auf Augenhöhe begegnet. Auch wenn ich das in der Theorie schon oft gehört habe, ist es nochmal etwas ganz anderes, das auch von den obdachlosen Menschen selbst so bestätigt zu bekommen.
In einem weiteren Teil des Workshops wird uns das Hygienezentrum am Zoo vorgestellt und gezeigt. Auch dort warten schon einige Menschen darauf, sich duschen zu können. Es ist sehr eindrücklich zu sehen, dass eine für mich so selbstverständliche Sache wie eine funktionierende Toilette und eine Dusche für diese Menschen absoluter Luxus ist.
Zum Abschluss meines Besuchs bei der Bahnhofsmission am Zoo schreibe ich zusammen mit einer anderen FSJlerin noch ein Kompliment auf und werfe es in eine Schale. Menschen, die hierherkommen, können dann einen Zettel aus der Schale nehmen und wir ihnen damit vielleicht schon mal ein kleines Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Ein Perspektivwechsel – das war dieser Tag auf jeden Fall für mich. Selbst wenn man den Menschen ihr Leid ansieht, war es unglaublich bereichernd, ihre Sicht der Dinge ein Stück weit erklärt zu bekommen.