Menschen und Geschichten
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  • 27.04.2023

Obdachlosigkeit kennt keine Saison

Stefanie Richter, Leitung unseres Zentrums am Zoo, schaut zurück auf eine bewegte Zeit:

Die diesjährige Kältehilfe in Berlin ist beendet. Seit Gründung 1989 gibt es von November bis März - oft passend zu den ersten Nächten mit Minusgraden, Schlafplätze und Hilfen für Menschen ohne Obdach. Ziel der Kältehilfe: Kein Mensch darf auf der Straße erfrieren. In Notübernachtungen, Nachtcafés oder dem Kältebus finden Menschen ohne Obdach Schutz vor nächtlicher Kälte, einen sicheren Schlafplatz, warme Kleidung, medizinische Hilfe, eine Mahlzeit, Ansprache und Zuwendung. Es geht bei der Arbeit immer um Würde. Bekanntlich ist diese unantastbar.

Kältebus-Mitarbeiterin besucht einen obdachlosen Menschen

Drei Kältebusse und eine mobile, barrierefreie Straßenambulanz der Berliner Stadtmission waren ab November Nacht für Nacht durch Berlin unterwegs und suchten obdachlose Menschen, die sich nicht mehr aus eigener Kraft vor der Winterkälte schützen können. Vier Notübernachtungen der Berliner Stadtmission boten in der Kältehilfe Schlafplätze. Zwei davon bleiben ganzjährig geöffnet. Am Abend erhalten die Menschen eine warme Mahlzeit, morgens Frühstück. Den Tag verbringen sie ohne Obdach, in Shopping Malls, am Bahnhof, in Fußgängerzonen, öffentlichen Gebäuden, auf der Straße. Über 70 Prozent der Menschen sind psychisch beeinträchtigt. Wohnungsverlust oft Folge einer psychischen Erkrankung. Und so katapultiert Obdachlosigkeit Menschen an den Rand der Gesellschaft - und das mitten unter uns.

Jährlich ist das Angebot der Kältehilfe in Berlin ausgebaut worden. Von 400 Schlafplätzen im Winter 2010/11 auf über 1.000 Schlafplätze seit Winter 2017/2018. In den vergangenen Monaten standen jede Nacht 1.164 Plätze zur Übernachtung für obdachlose Menschen zur Verfügung. Durchschnittliche Übernachtungsgäste: 1.100 Menschen. 94 Prozent Auslastung. An besonders kalten Tagen reichten die Plätze kaum aus. Jetzt endet die Kältehilfe 2022/2023. Zahlreiche Notübernachtungen schließen ihre Türen. Der Kältebus fährt nicht mehr durch die Straßen von Berlin.

Zwei Mitarbeiterinnen des Kältebus schauen nach obdachlosem Menschen in einer Bushalte

Und wir blicken zurück und sehen die Ehrenamtlichen in den Notunterkünften und bei der Arbeit auf der Straße. Wir sehen all die, die das Hilfesystem mit ihrer Expertise stützten und besser machten. Und wir sehen euch. Ihr wart es, die da waren, mit Sach- und Geldspenden, mit Empathie und aufmunternden Worten und Wertschätzung. Die Berliner Kältehilfe leistet viel, versorgt Menschen und rettet Leben. Wer übernimmt die Rolle im Frühling und Sommer?

Mann im Rollstuhl in einer Notübernachtung

Die Stadt Berlin hat ein ganzjähriges Problem mit geeigneter Unterbringung und Angeboten an Wohnraum. Mehr als 35.000 Menschen in Berlin haben keine eigene Wohnung und sind in Not-und Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Dazu gehören neben obdachlosen Menschen, ohne Wohnung, auch Menschen in Wohnheimen und Unterkünften für geflüchtete Menschen.

Obdachlosigkeit kennt keine Saison.
Leid und Elend machen keine Sommerpause. Der Wunsch, nachhaltig zu verändern und zu helfen ist immer da.


Die Berliner Stadtmission versucht mit verschiedenen Einrichtungen an die Arbeit der Berliner Kältehilfe anzuknüpfen und Menschen das ganze Jahr zu begleiten.