Sich unterhalten statt Grammatik pauken
An einem langen Tisch sitzt Gustavo aus Brasilien. Vor zwei Jahren kam er für ein Semester nach Berlin – und blieb, um als Schauspieler zu arbeiten. Der 41-Jährige unterhält sich angeregt mit Dilshad aus dem Irak. Der junge Mann ist seit sieben Jahren in Deutschland und angehender Mechatroniker. Neben den beiden sitzen TV-Produzentin Anna und ihre Tochter Katja aus der Ukraine. Gerade werden sie für einen Youtube-Kanal interviewt – auf deutsch. Die Teilnehmenden am Sprachcafé der WillkommensGemeinde könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie verbindet, dass sie alle ihr Deutsch verbessern wollen.
Organisiert wird das Sprachcafé von den Stadtmissionaren Mary Buteyn und ihrem Mann David Kromminga. Die beiden stammen aus den Vereinigten Staaten und haben 2019 die WillkommensGemeinde in der St. Lukas-Kirche gegründet. „Als wir damals mit der Gemeindearbeit begannen, kamen wir schnell in Kontakt mit den Menschen aus einer benachbarten Unterkunft für Geflüchtete“, erklärt Mary Buteyn. Daraus entstand der Gedanke, ein Sprachcafé anzubieten, bei dem sich Interessierte in einfachem Deutsch miteinander unterhalten.
„Das kam super an und inzwischen besuchen uns jeden Freitag zwischen 80 und 110 Menschen“, sagt David Kromminga, „darunter sind Geflüchtete, aber auch Zugezogene.“ Mary hat auch heute Gustavo wie alle anderen persönlich begrüßt, seinen Namen auf ein Schildchen geschrieben und sich nach seinen Sprachkenntnissen erkundigt. Dann hat sie ihn und die anderen Teilnehmenden an den Tisch mit der für sie jeweils passenden Sprach-Stufe geleitet.
Deutsch wird in der WillkommensGemeinde auf der sechsstufigen Kompetenzskala für Sprachkurse angeboten, moderiert von engagierten Ehrenamtlichen aus ganz Berlin. Ulrike Mattfeld betreut eine Anfängergruppe: „Ich bin ganz begeistert, wie interessiert die Leute daran sind, Deutsch zu lernen. Dabei achten wir weniger auf die Grammatik, es geht vielmehr darum, einfach ins Gespräch zu kommen. Das ist unglaublich wichtig für eine gelungene Integration und das Zusammenleben“, sagt die Dolmetscherin im Ruhestand. Es sind Ehrenamtliche wie sie, die das Sprachcafé erst möglich machen, denn David Kromminga und Mary Buteyn könnten die gut besuchte Veranstaltung nicht alleine stemmen.
Zu ihren Aufgaben gehört ja auch noch die Gemeindearbeit. „Aber wo beginnt Gemeinde, wo hört sie auf?“, fragt die Stadtmissionarin. „Zu uns kommen Menschen aus der ganzen Welt und mit unterschiedlichem Glauben. Wir begegnen allen auf Augenhöhe und laden sie zum Austausch ein.“ Dann sprechen sie über Gott und die Welt – langsam und rücksichtsvoll, damit jeder alles versteht. „Deswegen sehe ich Gemeinde hier eher als Gemeinschaft, auf der Grundlage christlicher Werte“, ergänzt Mary Buteyn.
Das Ehepaar lädt die Teilnehmenden auch ein, sonntags um 11 Uhr Gottesdienst in der St. Lukas-Kirche zu feiern oder jeden letzten Sonntag im Monat ein „Frühstück mit Morgengebet“ zu besuchen. „Manche kommen und erleben zum ersten Mal einen christlichen Gottesdienst – das freut uns dann besonders“, erzählt die Stadtmissionarin. Mit ihrem Mann und weiteren Ehrenamtlichen veranstaltet sie zudem Alpha-Kurse für Glaubenseinsteiger:innen und jeden Dienstag ab 10 Uhr ein Bibelcafé. Zum Fest plant sie eine große Weihnachtsfeier mit den drei anderen Gemeinden, die sich dort regelmäßig treffen – interkulturelles Weihnachtsliedersingen und Festessen inklusive.