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  • 22.08.2023

Unter acht – über Achtzig: Musikprojekt im Seniorenheim

Wenn Finn, Nora und Pia einmal im Monat Anneliese, Heidelore und Anita besuchen, dann ist das überall im Seniorenzentrum Bestensee zu hören: Denn die Kinder von der benachbarten Grundschule kommen vorbei, um mit den Bewohnerinnen zu singen.

Christa Fuhrmann genießt das sehr. Finn-Ole steht der 86-Jährigen gegenüber, die auf einem Stuhl sitzt. Zur Melodie von „Brüderchen, komm tanz mit mir“ greift der Junge nach ihren Händen. „Einmal hin, einmal her, rundherum, das ist nicht schwer“, singen alle zusammen. Später machen sie einen Sitz-Tanz zum Sportpalastwalzer und schwingen dazu gemeinsam einen Stock im Dreiviertel-Takt nach rechts und links. Dann klopfen die Kinder dreimal mit dem Stock auf den Boden und drehen sich um ihn herum.

singende Seniorinnen mit Kindern

„Singen ist das Beste, was man mit Kindern machen kann“, ist Christa Fuhrmann überzeugt. Die Seniorin hat früher in Berlin-Kaulsdorf einen Kindergarten geleitet und weiß, wie wichtig Musik für Heranwachsende ist. Die 86-Jährige ist überzeugt: „Wenn wir singen, können wir alle Emotionen in die Töne legen – und auch sonst eher verschlossene Menschen tauen dabei auf.“

Christa Fuhrmann dabei an. „Das Stockspiel mag ich am meisten, weil wir uns dabei bewegen können“, erzählt der Achtjährige. Finn-Ole hat Großeltern, die er oft am Wochenende besucht. Der Junge macht begeistert mit, vor allem mag er „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider“. Auch Lieder wie „Bruder Jakob“ hat Grundschullehrerin Olga Böhm für das Musikprojekt mit den Schüler:innen einstudiert, denn sie stammen aus der Kindheit der Seniorinnen. Auch die Älteren singen ohne Liedblätter fröhlich mit, denn Texte und Melodien sind ihnen noch vertraut. Ohne Papier können sich alt und jung besser auf einander konzentrieren.

Junge singt mit Seniorin

„In dem Projekt kommen sich Junge und Ältere mit Hilfe von Musik, Sprache und Bewegung näher“, sagt Katharina Kupke-Ippen vom Seniorenzentrum. Die Musik-Therapeutin setzt das von Angelika Jekic entworfene Konzept in Bestensee um – unter dem Titel „Unter acht – über Achtzig“. „Unser Ziel ist es, eine Annäherung zwischen den Generationen zu ermöglichen und durch Musik Verständnis füreinander zu schaffen“, erklärt die Musik-Therapeutin. Los ging es mit einem langsamen Kennenlernen. „Wir sind am Anfang zum Kegeln vorbeigekommen“, erzählt Lehrerin Olga Böhm. Die lebhaften Kinder, die sonst gerne untereinander um den ersten Platz ringen, waren schnell sehr rücksichtsvoll gegenüber den Älteren und schalteten einen Gang runter: „Sie mussten erst lernen, die Mimik und Gestik der Seniorinnen zu verstehen. Denn wenn ein Mensch blind oder schwerhörig ist, dann reagiert er oft anders, als die Kinder es gewöhnt sind.“ Deshalb hat Olga Böhm mit den Schüler:innen den Perspektivwechsel ganz praktisch geübt: Die Kinder haben die Augen geschlossen und ganz vorsichtig gegenseitig ihre Fingerspitzen ertastet. Beim nächsten Besuch im Seniorenzentrum konnten sie dann beobachten, wie eine erblindete Bewohnerin zu lächeln begann, als jemand ihre Hände berührte.

In der Schule hat Olga Böhm schon gehört, dass Kinder leise die Melodien aus dem Musikprojekt zur Entspannung vor sich hin summen. „Alle haben Freude daran und lernen voneinander“, sagt auch Katharina Kupke-Ippen. Finn-Ole bestätigt das. Er freut sich schon auf den nächsten Besuch im Seniorenzentrum: „Am Anfang haben wir uns nicht getraut, die älteren Menschen anzufassen“, erinnert er sich. Doch mittlerweile ist diese Angst verflogen. Sein Fazit: „Es ist jetzt einfach sehr, sehr schön.“

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