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  • 31.10.2022

Reformationstag: Fürchte dich nicht!

von Stadtmissionarin Anna-Sofie Gerth, Gemeinde City-Station


Es ist Halloween im Jahr 2006. Ich lebe in den USA und laufe in einem pinken Kleid von Haus zu Haus und ergattere mir Süßigkeiten. Mit meinem Kostüm stelle ich eine amerikanische Persönlichkeit dar und finde mich ziemlich witzig. Mit meinen Freunden und Freundinnen habe ich einen großartigen Abend. Wir gruseln uns vor so mancher Deko und ziehend kichernd durch die Straßen. Die Süßigkeiten sind überdurchschnittlich lecker und das Leben ist einfach großartig. Mein Fazit: Halloween zu feiern ist toll!

Nun ganze 16 Jahre später bin ich evangelische Diakonin und die Vorstellung in einem pinken Kleid durch die Straßen zu ziehen, ist gar nicht mehr so lustig. Halloween nervt mich ziemlich in Berlin und am liebsten würde ich allen Menschen erzählen, was Martin Luther am 31.10.1517 gemacht hat. Martin Luther hat damals seine 95 Thesen veröffentlicht und seine Kritik am Ablasshandel und weiteren Haltungen der katholischen Kirche kundgetan. In diesen Thesen stehen viele Sätze, die zu uns als Berliner Stadtmission gut passen. Es geht zum Beispiel darum, dass Christen:innen den Erlass von Schuld erhalten, wenn wir an Gott glauben. Wir müssen nichts kaufen, um diesen Zuspruch von Gott zu erhalten (These 36). In These 43 geht es um das zentrale Anliegen, den Armen und Bedürftigen zu helfen und man nicht Geld für Ablassbriefe ausgeben soll, wenn man denn mit dem Geld auch helfen könne. Diese Thesen und andere Aussagen von Luther sind lebensbejahend, Angst vertreibend und ermutigend. Martin Luther beschreibt deutlich, dass man keine Angst vor Gott und dem Fegefeuer haben muss. Gott ist liebend und wohlwollend. Hab‘ keine Angst! Fürchte dich nicht! Wichtig an dieser Stelle ist, dass Martin Luther die Thesen zwar in Wittenberg angeschlagen hat, aber nicht alleine war. Er hatte Freund:innen und Schüler, die ihn und diese neue, reformatorische Haltung, unterstützt haben. Die sich gemeinsam auf den Weg gemacht haben und dies der Beginn für die evangelische Kirche war. Vielleicht ist das auch die Verbindung zu Halloween. Gemeinsam unterwegs sein, mit
Freund:innen, mit den eigenen Kindern. Einen leichten, lustigen Abend zu haben. Mal gemeinsam Süßigkeiten zu essen und Nonsens zu machen. Gemeinsame Zeit zum Lachen, Gruseln und über die Stränge schlagen. Danach kann man gestärkt in den Herbst und „die dunkle Jahreszeit“ gehen.

Das Leben ist toll, soll angstfrei sein und birgt permanente Neuanfänge. Mit Reformationstag, der Welt ohne Ablasshandel und eben auch mit Halloween.