Name: Katharina Schridde (58 Jahre)
Was machst du bei der Berliner Stadtmission?
Ich habe einige Jahre als Pastorin eine Stadtmissionsgemeinde geleitet. Seit Sommer 2020 darf ich als Seelsorgerin Mitarbeitende, Klient:innen und Gäste begleiten und stärken. Besonders bei der Begleitung der Mitarbeitenden geht es oft darum, einen guten Umgang mit den eigenen Ressourcen und den täglichen Ereignissen zu finden. Das können auch belastende Erlebnisse sein, die wir uns gemeinsam anschauen und überlegen, wie die Mitarbeitenden einen guten Umgang damit finden können. Das geschieht überwiegend in Einzelgesprächen, aber auch in der Begleitung ganzer Teams.
Wie bist du zu diesem Berufsfeld gekommen?
Mir war und ist es ein Anliegen, mit den Menschen zusammen zu sein, die nicht unbedingt eine feste Gottesbeziehung haben und in die Kirche gehen. Menschen, die in besonderen Lebenssituationen sind oder Fragen an das Leben haben. Zugleich ist mir die geistliche Dimension nach wie vor sehr wichtig. Sie ist für mich die Quelle, aus der alles andere gespeist wird.
Was schätzt du daran?
Den persönlichen Kontakt zu den Menschen. Ich kann versuchen, in Ruhe und Frieden bei ihnen zu sein, selbst wenn es um Themen geht, die zutiefst unfriedlich sind. Ich taste mich mit Menschen an den Grundfragen des Lebens entlang und schaue, wo Sinn und Gegenwart, wo Präsenz, Hoffnung und Perspektive sind. Manchmal gibt es Situationen, in denen ich merke: hier geht es jetzt darum, miteinander Schweigen auszuhalten und zu schauen, wann es wieder ein Wort der Hoffnung oder ein Licht gibt. Das sind die Momente, die mir besonders wichtig sind.
Gibt es Herausforderungen in deinem Job, die du hast, weil du eine Frau bist?
Eigentlich nicht. Einmal sollte ich einen sterbenden, obdachlosen Mann begleiten, der der Griechisch-Orthodoxen Kirche angehörte. Für ihn war ganz klar: eine Pastorin geht nicht, denn in den orthodoxen Kirchen dürfen Frauen nicht Pastorinnen oder Priesterinnen sein. Die Kolleg:innen in der Einrichtung konnten sehr schnell einen orthodoxen Priester finden, der ihn begleitet hat.
Möchtest du ein besonderes Erlebnis oder eine Begegnung aus deinem Berufsalltag teilen?
Kurz vor Weihnachten hatten wir im Pflegezimmer der Ambulanz einen Gast, der viele verschiedene Einschränkungen hatte und fast erblindet war. Er erzählte mir, dass er früher Künstler gewesen sei und sehr darunter leide, nicht mehr malen zu können. Wir haben besprochen, dass ich ihm Farben und Pinsel besorge. Mehrere Pflegepersonen haben geholfen, einen Tisch ans Fenster zu stellen und zusätzliche Lichter zu besorgen. Der fast blinde Gast musste sich erst sehr überwinden, weil er Angst hatte, nicht mehr malen zu können. Er hat den Pinsel in die Hand genommen und mich immer gefragt, wo welche Farbe in dem Pastellkasten ist. Ich durfte seine Hand zu der entsprechenden Farbe und dann wieder über das Papier führen. Als er anfing zu malen, war ein solches Leuchten in seinem Gesicht, das mich zutiefst berührt hat. Es ist bewegend, zu sehen, was alles geht, wenn wir Zeit, Ruhe und Zutrauen in das haben, was möglich ist.