Zweiter Advent: Unterwegs im Kältebus der Berliner Stadtmission

2. Advent: Unterwegs im Kältebus der Berliner Stadtmission

Von Anna Koppri, Unternehmenskommunilkation Berliner Stadtmission

Heute darf ich im Kältebus der Berliner Stadtmission mitfahren. Von November bis März ist dieser zwischen 8 und 2 Uhr jede Nacht mit bis zu fünf Fahrzeugen auf Berlins Straßen unterwegs, um Menschen ohne Obdach zu versorgen. Nachdem wir Tee und Kaffee gekocht und genügend Schlafsäcke und Isomatten an Bord genommen haben, geht es erstmal zur Tankstelle. Jens steuert den barrierefreien Kältebus und Karla weist ihm den Weg von Auftrag zu Auftrag.

Karla zeigt die eingehenden Aufträge auf einem iPad an, die ehrenamtlich im Callcenter unter der Nummer 030-690333690 von Bürgern entgegengenommen und markiert wurden. Rote Markierungen kennzeichnen besonders dringende Fälle. Auf einer Karte sind die Standorte der einzelnen Aufträge und auch die Positionen der drei Kältebusse zu sehen, die in dieser Nacht unterwegs sind.

Wir nehmen uns den Berliner Osten vor. Der Verkehr ist stockend und die beiden berichten mir während der Fahrt von vergangenen Schichten. Sie teilen Begegnungen, die sie auch nach Schichtende beschäftigten.  „Einmal fanden wir einen Mann, dessen Hose heruntergerutscht war, mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden liegend. Kein Passant war stehengeblieben, um ihm zu helfen. Wir haben einen Krankenwagen gerufen und die haben festgestellt, dass seine Körpertemperatur schon gefährlich gesunken war," erinnern sich die beiden.  Jens erzählt von einem jungen Mädchen, das er bei Minusgraden nur mit einer Jacke fand und bedauert, ihr nicht mehr Hilfe angeboten zu haben. Karla bestätigt das. Sie sei mit dem Kältebus einmal an einem Mann vorbeigekommen, der in einem Hauseingang schlief. Später erfuhr sie, dass er verstorben war. Diese Begegnungen im Kältebus bleiben länger im Gedächtnis, da sie direkt mit den individuellen Schicksalen konfrontiert sind.

Endlich erreichen wir unseren ersten Auftrag. Am S-Bahnhof Frankfurter Allee treffen wir jedoch niemanden an. Ähnlich ergeht es uns bei den folgenden Aufträgen. Jens bedauert, dass kostbare Zeit verlorengeht, wenn Passanten sich scheuen, Obdachlose anzusprechen, und stattdessen den Kältebus nachträglich kontaktieren. Wir holen schließlich Miroslav* aus dem Krankenhaus ab. Vorsichtig unterstützen wir ihn, da er unter Schmerzen entlassen wurde. Wir bringen ihn in eine Notübernachtung in der Nähe, wo er mit einem Pflegebett für seine frisch operierte Hüfte versorgt wird.

Auf dem Weg zu unserem nächsten Auftrag – eine Bewohnerin hat für einen jungen Mann, der sich in ihrem Treppenhaus aufhält, den Kältebus angerufen – kommen wir an Menschen vorbei, die ihre Lager unter Brücken aufgeschlagen haben. Karla und Jens erklären mir, dass diese Menschen nicht mitkommen würden, in eine Notübernachtung. Trotzdem freuen sich die Brückenbewohnenden natürlich über warmen Tee und ein paar Worte auf Augenhöhe. Nur selten erleben sie Mitmenschen, die sich ihnen zuwenden und fragen, wie es ihnen geht. Als wir den jungen Mann in dem Hausflur erreichen, kommt die Anruferin mit zu uns heraus und bittet darum, ihn in eine Notübernachtung zu bringen, die Sozialberatung anbietet. Sascha* (Name geändert) bekräftigt, dass er dringend Unterstützung mit seinen Anträgen beim Amt brauche. Von Drogen oder Alkohol benebelt berichtet er auf dem Weg in die Notübernachtung redselig von seiner Situation, sichtlich froh darüber, dass ihm jemand zuhört.

Für mich endet der Einsatz hier, während Jens und Karla noch weiterfahren. Jens betont, dass er selbst bei unbehandelten roten Aufträgen um 2 Uhr nicht Feierabend machen würde. Er betont, dass wir in einem reichen Land leben, in dem solche Hilfsdienste eigentlich nicht notwendig sein sollten.

Wenn Sie einem Obdachlosen begegnen:

  • Überprüfen Sie die Situation und rufen Sie im Notfall einen Rettungswagen (112).
  • Bieten Sie Hilfe und den Kontakt zum Kältebus an.
  • Erkundigen Sie sich nach einem möglichen Bedarf für eine Notunterkunft.
  • Falls die Person draußen schlafen möchte, stellen Sie sicher, dass sie ausreichend warm eingekleidet ist oder bieten Sie Schlafsack und Isomatte an.
  • Geben Sie alle Informationen genau an das Kältebus-Callcenter weiter (Telefon: 030-690333690).

Danke für Ihre Unterstützung!